Waermespeicher_vor_Fuellung

Investition in die Wärmewende: Wärmespeicher und Tauchsieder im Trend

Neukölln ist hip oder anders gesagt: Berlins Szenebezirk ist in Aufbruchsstimmung. Das aber nicht nur als Party-Hotspot. Neukölln ist auch als Industriestandort absolut trendy. Denn im Fernheizwerk am Weigandufer 49 stehen der bisher größte Wärmespeicher der Hauptstadt und ein riesiger Tauchsieder, der Strom in Wärme umwandeln kann.

Einzigartige Technologiekombination für sichere Fernwärmversorgung

Wärmespeicher Fernheizwerk NeuköllnEr ist ein gigantischer Koloss, dieser Wärmespeicher. 22 Meter hoch ist er, hat einen Durchmesser von 26 Metern und kann bis zu 10.000 Kubikmeter heißes Wasser speichern. Das entspricht 300 Megawattstunden und reicht aus, um an einem frostigen Wintertag rund 3.250 Haushalte einen Tag lang mit Fernwärme zu versorgen. Ulrich Rheinfeld, Vorstand der Fernheizwerk Neukölln AG, hat von seinem Büro aus den Wärme speichernden Riesen immer im Blick.

Es ist ein stolzer Blick. Denn dieser Wärmespeicher ist ein Symbol der Wärmewende in Neukölln und Bestandteil einer einzigartigen Technologiekombination. Mit ihm gemeinsam wurden Anfang März eine Power-to-Heat-Anlage, die ähnlich wie ein Tauchsieder Strom in Wärme umwandeln kann, sowie vier neue Blockheizkraftwerke offiziell in Betrieb genommen. Außerdem wurden zwei bereits bestehende Blockheizkraftwerke auf den Brennstoff Biomethan umgestellt.

Ideales Zusammenspiel von erneuerbarer Energie und Kraft-Wärme-Kopplung

Hinter dieser umfangreichen Modernisierung stecken 12,5 Millionen Euro. Eine stolze Summe, „die wir sehr gern investiert haben“, sagt Ulrich Rheinfeld. Es ist eine Investition in die Zukunft. Die Technologie ist nutzbar, um die Stromnetze zu stabilisieren und um regenerativ erzeugten Strom in die Fernwärmesysteme zu integrieren. Damit werden Strom- und Wärmeerzeugung noch flexibler, effizienter, umweltschonender. „Was uns hier am Standort gelungen ist, ist ein ideales Zusammenspiel zwischen erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung“, erklärt Ulrich Rheinfeld und betont zugleich, dass das Unternehmen damit einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende leistet und die Berliner Luft sauberer und klimafreundlicher macht.

Fernheizkraftwerkes Neukölln mit neuen Blockheizkraftwerken
Zwei Gebäude auf dem Gelände des Fernheizwerkes Neukölln mit jeweils zwei neuen Blockheizkraftwerken, Foto: Vattenfall

 

Allein durch die neuen Blockheizkraftwerke kann der CO2-Ausstoß der Fernwärme in Berlin rechnerisch um jährlich rund 6.500 Tonnen entlastet werden. Die Optionen der Power-to-Heat-Anlage liegen in der gleichen Höhe. Bezogen auf seinen Wärmeabsatz hat das Fernheizwerk die spezifischen CO2– Emissionen seit 1990 bereits halbiert.

Fernwärme für 40.000 Wohneinheiten in Neukölln und Kreuzberg

Rund 40.000 Wohneinheiten beliefert die Fernheizwerk Neukölln AG nachhaltig und effizient mit Fernwärme in einem Gebiet mit 160.000 Einwohnern, Gewerbebetrieben und öffentlichen Einrichtungen wie Rathaus, Stadtbad, Schulen und Kitas in Neukölln und Kreuzberg.

Hydraulischer Teil der Power to Heat Anlage
Hydraulischer Teil der Power to Heat Anlage des Fernheizwerkes Neukölln


Die Versorgung der Kunden erfolgt über ein fast 100 Kilometer langes Leitungsnetz sowie 1.150 Übergabestationen. Pro Stunde können bis zu 3.500 Kubikmeter Heißwasser mit einer Temperatur von 75 bis 110 Grad Celsius durch die Trassen gepumpt werden. Insgesamt verfügt das Unternehmen über eine Wärmeerzeugung mit einer Leistung von fast 200 Megawatt (MW). Zusätzlich kann aus dem Heiznetz Mitte der Vattenfall Europe Wärme AG eine Wärmeleistung von 40 MW bezogen werden.

Traditionsunternehmen seit fast 100 Jahren

Es ist eine Versorgung, die in die Zukunft gerichtet ist und doch steht sie auch für die Vergangenheit. Schon seit fast 100 Jahren erzeugt das Fernheizwerk Neukölln Fernwärme, ist damit sozusagen ein waschechter Neuköllner. Die Geschichte des Traditionsunternehmens geht bis ins Jahr 1911 und die damalige Stromversorgung der Stadt Rixdorf zurück. Bereits um 1919 wurde die Stromerzeugung wieder eingestellt  und ganz auf Fernwärme umgerüstet. „Das Unternehmen war Jahrzehnte lang im Besitz des Landes Berlins und wurde durch das Bezirksamt Neukölln geführt. 1977 erfolgte die Umwandlung in eine GmbH. Seit 1987 ist FHW eine börsennotierte Aktiengesellschaft, Hauptaktionärin ist mit rund 80 Prozent Anteilen die Vattenfall Europe Wärme AG.“, fasst Ulrich Rheinfeld die Geschichte kurz und knapp zusammen.

Fernheizwerk Neukölln, 1978
Fernheizwerk Neukölln, 1978. Foto: Joachim Diederichs 

 

An „alte“ Zeiten erinnert allerdings nur noch das Verwaltungsgebäude mit dem Rixdorfer Wappen am Portal. Und ältere Mitarbeiter erinnern sich noch an die Kupferbarren und Lebensmitteldosen, die in riesigen Mengen als „Senatsreserve“ während des kalten Krieges im fast 1000 m² großen Gebäudekeller gelagert wurden. Heute glänzt dort die moderne Power-to-Heat-Anlage. Darüber ist eine Terrasse mit Blick auf die großen alten Kastanien und den Neuköllner Schifffahrtskanal. „Das ist mein Lieblingsplatz“, verrät Ulrich Rheinfeld und ist sich dessen bewusst, dass es natürlich auch verpflichtet, ein Traditionsunternehmen zu sein. „Ob im sozialen, kulturellen oder sportlichen Bereich – das lokale Engagement liegt uns sehr Herzen.“

FHW Neukölln – ein markantes Ausrufezeichen für Innovation

Das weiß auch der Bezirk zu schätzen. So würdigte Neuköllns stellvertretender Bezirksbürgermeister Falko Liecke bei der feierlichen Inbetriebnahme des Wärmespeichers das „Fernheizwerk“ als engen Partner, den Neukölln brauche, um voranzukommen: “Mit der Inbetriebnahme des Wärmespeichers setzt die Fernheizwerk Neukölln AG ein weiteres markantes Ausrufezeichen für Innovation in dem Gebiet und sichert gleichzeitig die vorhandenen Arbeitsplätze.“ Auch Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel lobte: „Wenn Berlin seine Klimaziele erreichen will, brauchen wir umweltfreundliche Erzeugungsanlagen, die eine Integration der erneuerbaren Energien aus dem Umland gestatten. Und wir brauchen Unternehmen, die trotz der derzeit schwierigen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen mutig in diese Technologien investieren. Das Fernheizwerk Neukölln setzt gibt mit Berlins größtem Wärmespeicher hierfür ein beachtliches Beispiel!“

Inbetriebnahme_Wärmespeicher FHW Neukölln, 2015
Inbetriebnahmefeier mit (v.l.) Ulrich Rheinfeld (Vorstand der FHW Neukölln AG), Andreas Geisel (Senator für Stadtentwicklung und Umwelt), Günther Müller, Vorstand Vattenfall Europe Wärme AG und Falko Liecke (Stellvertretender Bürgermeister von Neukölln)

Mitarbeiter und Partnerfirmen haben Großartiges geleistet

Worte, die Vorstand Ulrich Rheinfeld, die rund 40 Mitarbeiter des Fernheizwerkes und alle an der Modernisierung beteiligten Firmen gern hören und auch mit viel Beifall aufgenommen haben. Stecken doch hinter der gigantischen Investition vor allem ihre Arbeit, ihre Leistungen. „Ja, ich bin stolz auf meine Mannschaft“, sagt Ulrich Rheinfeld und erwähnt fast nebenbei, dass die Fernheizwerk Neukölln AG mittlerweile zu den 50 größten Fernwärmeunternehmen in Deutschland gehört.

Darauf ein Kölsch, wie es sich für eine rheinische Frohnatur gehört? Ulrich Rheinfeld, der in Köln geboren und 13 Jahre in Düsseldorf bei den Stadtwerken gearbeitet hat, schmunzelt und schüttelt den Kopf. „In Berlin darf es auch ein Kindl sein“. Immerhin lebe er ja nun schon seit 15 Jahren hier. Mit Blick auf den weißen, in der Sonne leuchtenden Wärmespeicher meint er zufrieden: „Der Tag der Inbetriebnahme am 5. März 2015 gehört ganz sicher zu den aufregendsten aber auch schönsten Tagen in meinem Arbeitsleben.“ Und je länger man den weißen Riesen, der mal ein grauer Heizöltank war, betrachtet, desto klarer wird: Der Wärmespeicher hat es durchaus drauf, zu einem innovativen Wahrzeichen für den traditionsreichen und hippen Industriestandort und Szenebezirk Neukölln zu werden.

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