Nachtaktive Räuber fliegen übers Heizkraftwerk

Nachtaktive Räuber fliegen übers Heizkraftwerk

Lautlos und blitzschnell manövrieren sie sich geschickt durch die Dunkelheit. Ihr nächtlicher Beutezug führt über das Heizkraftwerk Klingenberg. Die Rede ist von Fledermäusen. Eine Forschergruppe des Naturkundemuseums Berlin hat die sagenumwobenen Säugetiere auf der Jagd begleitet, um mehr über ihr soziales Verhalten zu erfahren.

Der Tag geht zu Ende, die Kraftwerker in Klingenberg beenden ihre Abendbrotpause und bereiten sich auf die Nachtschicht vor. Draußen huscht ein Schatten über die Silhouette der Anlage, die schon fast im Dunkeln liegt: Eine Fledermaus begibt sich mit ihren drachenartigen Schwingen auf nächtlichen Beutezug. In wenigen Augenblicken folgen ihr weitere Artgenossen, die ihr Tagesquartier im benachbarten Plänterwald verlassen.

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Das Kraftwerk Klingenberg in der Abendsonne, Foto: Vattenfall

Mehrere hundert Fledermäuse leben im Umfeld des Heizkraftwerks Klingenberg. Je nach Sonnenuntergang starten sie ihre Nahrungssuche, meist zwischen 21 und 22 Uhr. Wie lange sie unterwegs sind oder wann sie zurückkehren, ist noch nicht umfassend erforscht. „Auf jeden Fall schlagen sich die nachtaktiven Räuber kurz vor Sonnenaufgang den Bauch nochmal so richtig voll“, lacht Simon Ripperger. Er gehört zur „DFG-Forschergruppe 1508 BATS“, die das Sozialverhalten der Tiere untersucht.

Forscherteam macht Quantensprung in der Wildtierbeobachtung

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Simon Ripperger (li.) und sein Kollege Linus Günther bei der Fledermaus-Beobachtung, Foto: DFG-Forschergruppe

Das Team um Ripperger hat ein vollautomatisches Telemetrie-System entwickelt. Es kann die Flugbahnen mehrerer Fledermäuse gleichzeitig aufzeichnen. Individuell, vollautomatisch und hochauflösend. „Bahnbrechend ist, dass wir die Senderdaten aus circa ein bis zwei Kilometern Entfernung herunterladen können“, berichtet der junge Forscher stolz.

Und so funktioniert’s: Der Sender wird auf dem Rücken der Mutter- und Jungtiere mit Hilfe eines chirurgischen Klebers angebracht. Nach ungefähr zwei Wochen fällt er automatisch ab. Die Sender kommunizieren untereinander und zeichnen die Kontakte während der Jagd auf. So lässt sich unter anderem herausfinden, ob die Mütter den Jungtieren Jagdtipps geben.

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Simon Ripperger auf den Aschesilos des Heizkraftwerks Klingenberg, Foto: DFG-Forschergruppe

Gegenstück der Sender sind die Antennen, die das Team auf den Aschesilos des Heizkraftwerks Klingenberg installiert hat. Simon Ripperger, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Naturkundemuseum Berlin arbeitet, freut sich über diesen perfekten Standort: „Hier haben wir den besten Überblick über den Plänterwald und ideale Empfangsbedingungen. Außerdem weckt die angrenzende Spree mit ihren zahlreichen Insekten den Jagdinstinkt der Fledermäuse.“

Abendsegler liefert Erkenntnisse über das Fortbestehen

Als einzige Räuber nachtaktiver Fluginsekten übernehmen Fledermäuse eine zentrale Rolle im Ökosystem. Da sie vorwiegend nachts aktiv und überaus mobil sind, ist nur wenig über ihr Sozialverhalten bekannt. Die DFG-Forschergruppe beobachtet speziell die Abendsegler, die zu den größten Fledermäusen Europas gehören.

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Abendsegler im Quartier, Foto: DFG-Forschergruppe

Die Weibchen bilden permanente Wochenstuben und bleiben mit ihrem Nachwuchs monatelang dort. Sie kehren jeden Sommer dorthin zurück, und das über mehrere Jahre. Damit sichern Abendsegler das Fortbestehen ihrer Art. Beliebte Rückzugsgebiete der Gruppen sind Fledermaus-Nistkästen in Stadtparks, auch Spechthöhlen in Kiefern gelten als beliebte Tagesquartiere.

Erst kürzlich hat das Team um Simon Rippberger 24 Mutter- und Jungtiere im Königsheideforst mit Sendern ausgestattet und deren Zusammenkünfte erfasst. Erste Erkenntnisse beweisen, dass sich die Tiere temporär in Kleingruppen aufspalten. Das ist wichtig für den Beutezug, da kleinere Fledermausgruppen effizienter jagen und ihre Jagdgebiete deutlich größer werden.

Aufgepasst: Fledermäuse an der Haustür

Mit Einbruch der Dunkelheit sind heute wahrscheinlich vermehrt fledermausartige Wesen unterwegs. Es ist Halloween! Lediglich die Art der Fortbewegung und ihr Ruf unterscheiden sie von den echten, flugfähigen Geschöpfen. Spätestens beim Schlachtruf „Gebt uns Süßes, sonst gibt’s Saures“ ist die Sache klar. In diesem Sinne: Happy Halloween!

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Von links oben nach rechts unten: Emil Rathenau und Thomas Alva Edison 1911 im Maschinenraum des Kraftwerks Moabit; Stiftungsurkunde anlässlich des 70. Geburtstages von Emil Rathenau für verdiente Beamte der AEG und BEW 1915, Warte des Kraftwerks Klingenberg 1928, Beleuchtungsgebiete der BEW 1884-1896, Stromversorgung im geteilten Berlin, Darunter der Blick in den 380kV-Tunnel, "Die Berliner Elektrizitätswerke" gestaltet von Ludwig Sütterlin 1896 , Ernst Reuter am Modell des HKW West auf der Frühjahrsmesse 1949, Leuchtlogo der Bewag, das erste Kraftwerk Deutschland im Hinterhof der Markgrafenstraße 43 und darunter Heizkraftwerk Reuter West.

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